Die spinnen die Amis

Man kennt das ja von den verschiedenen Staatsbesuchen: Wenn Präsidenten oder Scheiche in der Stadt sind, wohnen oder speisen sie im Hotel Adlon. Und dann wird alles dicht gemacht. Passanten, Touristen, Taxifahrer werden vom Pariser Platz verbannt oder an den Rand gedrängt, auch in einer Demokratie hat das Volk nichts zu melden, wenn der Innensenator die „Große Lage“ anordnet. „Polizeilichen Anordnungen ist Folge zu leisten“, seien diese auch noch so unsinnig. Um das Ego des gemeinen Beamten zu befriedigen reicht es allemal. So bekam mein Tagfahrerkollege gestern früh eine Anzeige, weil er neben dem Adlon auf der Taxi-Nachrücke auf Fahrgäste oder Funkaufträge wartete – so wie jeden Tag und wie schon tausende Taxler vor ihm. Doch anstatt ihn darauf hinzuweisen, dass das Halten hier im Moment nicht gestattet ist, weil der Platz gebraucht wird, kam gleich die Repressionskeule zum Einsatz, eine polizeiliche Anzeige. Dabei ist dieses Vorgehen nicht so willkürlich, wie es scheint. Die Kontrolle ermöglichte gleich auch die Registrierung der Personalien, und solche Daten sind derzeit an diesem Ort begehrt. In zwei Tagen wird die neue US-Botschaft offiziell eröffnet, dann findet auf dem Pariser Platz ein großes Fest statt. Die Hälfte ist bereits abgesperrt, eine Tribüne, eine Bühne sowie viele große, weiße Plastikzelte werden errichtet, die Veranstalter sind nervös. Allzu oft waren amerikanischen Botschaften und andere Einrichtungen in den letzten Jahren Ziel von Anschlägen. Und so, wie sie sich weltweit aufführen, so arrogant benehmen sie sich auch hier. Schon seit Jahren ist die Neustädtische Kirchstraße mit Betonblöcken versperrt, um die US-Botschaft zu schützen. Für ihren Neubau, der natürlich auch mitten in der City stehen muss, verlangten sie vom Senat ähnliche Schutzvorrichtungen. Sogar zwei Straßen mussten extra verlegt werden, damit das Gebäude möglichst weit weg ist vom gemeinen Volk. Dabei hätte die Botschaft auch dort eingerichtet werden können, wo schon lange die Passabteilung ist, an der Clayallee in Zehlendorf. Oder sie könnten ihre Politik ändern, die sie überall in der Welt so unbeliebt und dadurch speziell zum Anschlagsziel macht.

Leider wird diese Selbstherrlichkeit vom Senat toleriert, er macht  sich sogar zum Erfüllungsgehilfen, wie einst zu Zeiten, als die USA ganz offiziell Besatzungsmacht war. Anscheinend betrachten sie uns noch heute als gefährliche Feinde. Auf dem Pariser Platz laufen seit mehreren Stunden immer wieder die gleichen Männer und Frauen herum, unauffällig mit kleinem Rucksack als Tourist getarnt. Auch die Taxis laufen sie ab und schauen herein, vielleicht erwarten sie ja auf einem Rücksitz eine Panzerfaust zu entdecken. Während die Dame kontrolliert, schaut der Mann in die Runde und warnt vor Fotografen. Manchmal drehen sie sich weg, wenn ein Tourist das Brandenburger Tor fotografiert, es könnte ja Bin Laden sein, statt einem Besucher aus Wanne-Eickel. Auch ich errege ihre Aufmerksamkeit, beobachten und schreiben sit verdächtig.
Währenddessen geht ein anderer „Tourist“ langsam an den wartenden  Taxis entlang. Immer wenn er an einem vorbei ist schaut er ganz kurz aufs Nummernschild und spricht etwas in sein Handy. Sicher ist auch das nur Zufall, die neue Freizeitbeschäftigung von Berlin-Besuchern ist das Sammeln von Taxi-Kennzeichen.
Der Secret Service hat Großeinsatz, das ist nicht zu übersehen. Am Tag der Botschafts-Einweihung wird es dann sicher noch schlimmer: Als Reisebusse getarnte Panzer auf der Straße, Apache-Hubschrauber in der Luft und in der Kanalisation patrouilliert ein Atom-U-Boot. This is the american way of life.

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1 Kommentar

  1. Harhar, herrlich! Das ist zum Glück an mir vorbeigegangen. Sonst wär’s mir wohl so gegangen wie einst Max Liebermann an derselben Ecke.

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