Die autogerechte Südtangente

In den 50er und 60er Jahren sollte Berlin zur „autogerechten Stadt“ werden. Der motorisierte Privatverkehr bommte und wären alle Pläne umgesetzt worden, gäbe es heute Autobahnkreuze z.B. auf dem Oranienplatz und neben dem Hauptbahnhof. Doch auch so wurden in vielen Gegenden der Stadt alte Strukturen zerstört. Man muss nur mal mit offenen Augen auf der Autobahn vom Innsbrucker Platz zum Kaiserdamm fahren.

Mitten in der West-Berliner Innenstadt sollte Ende der 1950er Jahre zur Entlastung des Kurfürstendamms eine breite Umfahrung gebaut werden. Die Lietzenburger Straße verlief zu diesem Zeitpunkt bereits zwischen dem Kudamm und dem Rankeplatz an der Ecke zur Joachimstaler Straße, allerdings war sie ein schmale Kiezstraße, deren größte Bedeutung darin bestand, dass sie die Bezirksgrenze zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf markierte.
Am Rankeplatz war Schluss, dahinter befand sich ein Wohnviertel, das von der damals viel längeren Augsburger Straße dominiert wurde. Es hatte allerdings im Krieg schwere Schäden erlitten.

Der Berliner Senat beschloss den Bau der sogenannten Südtangente, die vom Olivaer Platz nach Schöneberg zur Martin-Luther-Straße und dann südlich zum Lützowplatz im Bezirk Tiergarten führen sollte. Dazu wurde die Lietzenburger Straße auf insgesamt sechs Spuren verbreitert. Westlich der Joachimstaler Straße wurde das alte Grundstücksraster völlig zerstört. Stattdessen schlug man quer über die Trümmergrundstücke eine überbreite Tangente, die teilweise acht Spuren erhielt.

Von der Nürnberger Straße aus zieht sie sich immer breiter werdend bis zur Martin-Luther-Straße hin, wo sie nach links in Richtung Urania abbiegt. Auf ihrem Weg wurden zahlreiche Straßen einfach abgeschnitten, damit der Verkehr auf der Lietzenburger entlang rasen kann. Fürther, Kehlheimer, Ettaler, Würzburger, Welser, Bayreuther und Wormser Straße sind seitdem Sackgassen. Die Achenbachstraße wurden komplett unter ihr begraben.

Aber es ging noch weiter. Wo heute die riesige Fläche der Straße An der Urania ihr Maul aufreißt, standen einst ebenfalls hochherrschaftliche Gebäude. Hier wurde ein halber Häuserblock mit der Nettelbeckstraße zusammengefasst. Auch dort hat der Autoverkehr so viel Platz bekommen, dass Fußgänger die gesamte Breite der Straße nicht während einer einzigen Ampelphase überqueren können.
Am 1. September 1963 war der Ausbau der Südtangente abgeschlossen, sie erhielt nun auf der gesamten Länge den Namen Lietzenburger Straße bzw. An der Urania. Ihren Schnellstraßencharakter hat sie bis heute nicht verloren.

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2 Kommentare

  1. Auf der Grafik ist der Straßenverlauf der Lietzenbuger nicht ganz korrekt eingezeichnet. Sie verläuft nicht entlang der Schaperstr. über den Nürnberger Platz, sondern entlang der ehem. Achenbach Str.

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