Die Entführung von Walter Linse

Am 8. Juli 1952 wurde der Rechtsanwalt Walter Linse vor seinem Wohnhaus in der Gerichtsstraße 12 in Lichterfelde im Auftrag der DDR-Staatssicherheit entführt. Linse arbeitete für den West-Berliner „Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen“ (UFJ), der Menschenrechtsverletzungen in der DDR untersuchte und im Westen bekannt machte. Damals war Linse gerade mit der Vorbereitung eines Internationalen Juristen-Kongresses in Berlin beschäftigt. Der UFJ war keine private Organisation, sondern vom us-amerikanischen Geheimdienst CIA finanziert und gesteuert, was damals in der Öffentlichkeit jedoch noch nicht bekannt war.

Die Entführer Walter Linses waren Schwerkriminelle, die von der Stasi für diese Aktion angeworben wurden. Fünf Entführungsversuche waren seit Mitte Juni 1952 misslungen, am 8. Juli nun konnten ihn die Entführer in ein Auto schieben und rasten mit ihm über die nahe Grenze zur DDR in den Kreis Teltow. Da die Entführung einige Jahre vor dem Mauerbau stattfand, waren die Straßen in die DDR von West-Berliner Seite aus noch frei befahrbar.
Der Fahrer eines Lieferwagens, der die Entführung beobachtet hatte, versuchte noch, das Auto zu rammen. Er wurde aber von den Tätern beschossen.

Walter Linse kam zuerst ins Stasi-Untersuchungsgefängnis nach Hohenschönhausen, anschließend übergab man ihn dem sowjetischen Geheimdienst KGB. Dieser brachte ihn nach Moskau, wo er am 23. September 1953 wegen „Spionage, antisowjetischer Propaganda und Bildung einer antisowjetischen Organisation“ zum Tod verurteilt wurde. Am 15. Dezember 1953 ist Linse im Butyrka-Gefängnis in Moskau erschossen worden.

Unmittelbar nach der Entführung gab es in West-Berlin Massenproteste, unter anderem eine Demonstration mehrerer Zehntausend Menschen vor dem Rathaus Schöneberg. Als Reaktion auf die Tat wurden die Straßenübergänge von West-Berlin nach Ost-Berlin und in die DDR bis auf wenige kontrollierte Übergänge für den Fahrzeugverkehr mit Barrieren versperrt. Der Ort der Entführung, die damalige Gerichtsstraße in Lichterfelde, wurde 1961 in Walter-Linse-Straße umbenannt.

Erst im Jahre 2007 kam die Rolle Walter Linses während der NS-Zeit ans Licht. Demnach war er bei der Industrie- und Handelskammer als Beauftragter für die sogenannte Arisierung jüdischer Unternehmen tätig. Er soll auch selber Juden bei der Gestapo denunziert haben.

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1 Kommentar

  1. Und im Anschluss setzte er sich als zum Geschäftsführer Aufgestiegenen gegen die Reparationen enteigneter Juden ein. Und für den Arbeitsplatzerhalt ehemaliger Täter.
    Als das 2007 rauskam und durch 2 gut recherchierte Expertisen belegt wurde, gab auch die Stiftung, die einen Walter-Linse-Preis für vom Kommunismus Verfolgter und gegen dessen Unrechte Kämpfende verlieh, den Namen im Titel auf.
    Nur die Straße gibt’s noch. Die Linkspartei kam mit ihrem Antrag nicht durch.

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