Cholerische Kollegen

Es kommt öfter vor, dass Taxifahrer-Kollegen einem den Auftrag vor der Nase wegschnappen. Wenn man z.B. an der Halte Grolmanstraße/Kudamm steht und von der Zentrale einen „VIP“-Auftrag bekommt, weiß jeder Würfelfunk-Fahrer, dass man dann zum Hotel Q in der Knesebeckstraße fährt. Leider sind auf dem Weg zwei Ampeln und so hat ein Aasgeier über eine Minute Zeit, mal „zufällig“ am Hotel zu halten, die Fahrgäste einsteigen zu lassen und schnell zu verschwinden. Genau das ist mir dort schon zweimal passiert und natürlich war ich dann stocksauer. Und das war auch begründet.
Anders gestern Nacht: In der Tucholskystraße fährt ein freies Taxi vor mir, es wird von vier jungen Leuten gewunken. Auch mich halten sie an, ich denke, dass sie sich aufteilen und in verschiedene Richtungen fahren wollen. Sie diskutieren noch eine Minute, dann kommen sie alle zu mir und steigen ein. Sofort rennt der Kollege von vorn zu mir, baut sich neben dem Wagen auf und brüllt mich an, was ich mir einbilden würde, ihm die Fahrgäste zu klauen, am liebsten würde er mir aufs Maul hauen usw. Ich versuche ruhig zu bleiben und ihm klarzumachen, dass die Fahrgäste sich das Taxi selber aussuchen können und ich sie sicher nicht aus dem Auto werfen würde. Das besänftigte ihn aber nicht. Nachdem wir losgefahren sind, fuhr er noch über einen Kilometer hinter und neben uns her, erst am Alex drehte er ab. In der Zwischenzeit erklärten mir meine Fahrgäste, wieso sie nicht bei ihm eingestiegen waren: Sie standen direkt vor einem jüdischen Café und als der Fahrer angehalten hatte, sahen sie an seiner Windschutzscheibe einen Aufkleber mit dem islamischen Zeichen für Gott. Der Fahrer hatte die Nase gerümpft, als er das Café sah, deshalb wollten sie nicht mit ihm fahren. „Normalerweise ist uns die Religion des Taxifahrers egal, aber das war so offensichtlich, dass es bestimmt eine Konfrontation gegeben hätte“, sagte einer von ihnen.
Heute nun eine ganz ähnliche Situation. Ich fahre auf die provisorische Halte am Hotel Hilton zu, das erste Mal seit Monaten sehe ich dort kein anderes Taxi. Stattdessen wartet ein altes Ehepaar und winkt, ich fahre ran und lasse sie einsteigen. Plötzlich kommt von vorn ein anderes Taxi an, hupt wie verrückt, fährt quer über die Straße und hält vor meinem Wagen. Der Fahrer steigt aus und brüllt etwas von „Arschloch“ und „Kollegenschwein“. Erschrocken frage ich meine Fahrgäste, ob sie vielleicht ein Taxi bestellt hätten, das hatten sie aber nicht. Stattdessen kommt ein Mann mit Koffer und steigt bei ihm ins Auto, anscheinend sein bestellter Fahrgast. Das alte Ehepaar ist ziemlich erschüttert über das Verhalten des Taxifahrers, die Frau sagt noch, dass sie froh ist, nicht bei ihm eingestiegen zu sein.
Mitten in der Nacht dann noch die dritte Begegnung cholerischer Art, diesmal im Funk. Ein Taxifahrer drückt auf die Funktaste, man hört anatolische Jammermusik. Wieder rastet ein Kollege aus: „Kanackenmusik“ brüllt er ins Mikrofon und „Macht die Scheiße aus“. Zwar gehen sofort einige Kollegen dazwischen und beschweren sich, andere aber nehmen ihn noch in Schutz. Die Zentrale greift leider erst nach einer halben Minute ein.
Es ist schon erschreckend, wie schnell manche Taxifahrer grundlos aufbrausend und aggressiv werden. Vielleicht sehen sie die Kollegen nur als Gegner, die man bekämpfen muss, diesen Eindruck habe ich öfter. Aber denken sie nicht daran, was ein solches Verhalten bei den Fahrgästen für einen Eindruck hinterlässt? Wahrscheinlich gehören sie zu der Sorte Taxifahrer, denen die Kunden völlig egal sind, die sie nur als Melkkühe sehen. Dienstleistung ist für sie ein Fremdwort und hat nichts mit ihnen zu tun. Leider gibt es davon eine ganze Menge, denen ist es auch egal, was ihr Verhalten über sie selber aussagt. Das Problem ist, dass wir anderen dann den Fahrgästen klarmachen müssen, dass nicht alle Taxifahrer Choleriker sind.

print

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*