SEV

In den letzten Tagen habe ich ein paarmal Funkaufträge bekommen, bei denen die Adressen kilometerweit entfernt waren, Und zwar nicht nachts um Zwei in Kladow oder Blankenfelde, sondern mitten in der Stadt. Aber um 18 Uhr fahre ich natürlich nicht für einen Auftrag von Moabit zum Kurt-Schumacher-Platz. Also habe ich solche Touren immer abgelehnt, obwohl sie am Donnerstag gleich dreimal hintereinander kamen.
Heute wieder das gleiche Spiel: Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg, Auftrag ab Kreuzberg, Möckernbrücke. Ich lehne ab. Sofort neuer Auftrag. Wieder Ablehnung und Anruf bei der Zentrale, wieso sie solche Fahrten schicken mit 15-20 Minuten Anfahrt. Nicht dass ich was gegen längere Anfahrten habe, aber in der Regel warten die Fahrgäste nicht so lange und sind schon weg, wenn man eintrifft. Die Lady vom Funk hauchte mir aber mit ihrer zärtlichen Stimme ins Ohr: „Lieber Aro, du solltest die Aufträge erstmal lesen, bevor du sie ablehnst. Die kommen nämlich von der BVG – Schienenersatzverkehr! Und dafür hast du dich selber angemeldet!“
Ups. Schluck. Ok, ich fahre.
Klar, Mitte September hatte ich ja extra an einer Schulung teilgenommen, als Fahrer für den SEV. Im selben Moment klingelte das PDA zum dritten Mal, wieder der Auftrag ab Möckernbrücke.

Abends gegen 21 Uhr sind die Straßen nicht mehr so voll, mit ein bisschen Gas geben, einer günstigen Ampelschaltung und dem Wissen, wo die Blitzer stehen, kann man die Strecke in 10 Minuten schaffen. Am Tempelhofer Damm angekommen standen tatsächlich mehrere Personen am U-Bahn-Eingang. Als ich ausstieg, um mein schickes Schild „Schienenersatzverkehr im Auftrag der BVG“ aus dem Kofferraum zu holen, kam sofort eine Frau auf mich zu: „Sind Sie der Ersatzverkehr?“. In der Zwischenzeit setzten sich schon einige ins Auto, freundlicherweise nicht auf dem Fahrersitz. Sie erzählten später, dass der Zug nicht weitergefahren sei und eine Durchsage auf die Taxis verwiesen habe.

Da es meine erste SEV-Fahrt war, musste ich mich erstmal orientieren. Auf dem Display war die genaue Streckenführung bis zur Grenzallee und wieder zurück aufgelistet. Allerdings nicht genau der ausgefallenen U7 folgend, sondern mit einem Umweg über die Urbanstraße.
Meine Fahrgäste waren jedenfalls sehr begeistert, dass sie nun zum BVG-Tarif mit dem Taxi fahren konnten. Am Hermannplatz sahen wir dann die Polizei, die Straße Richtung Kreuzberg war abgesperrt, ebenso die U-Bahn-Eingänge. Offenbar war wieder mal ein herren- oder damenloser Koffer entdeckt worden.
Ich hatte gerade am U-Bhf. Grenzallee neue Fahrgäste aufgenommen, als die Meldung „Fahrt abbrechen“ kam. Meine Kunden fuhr ich noch bis zum Hermannplatz, der nun wieder geöffnet war.

Bei der Abrechnung fiel mir auf, dass offenbar nur vier Taxis als Schienenersatzverkehr zur U7 geschickt worden waren. Nicht gerade viel. Wahrscheinlich beteiligen sich einfach noch zu wenige Fahrer und Unternehmer daran. Dabei lohnt es sich, zumindest wenn die Anreise nicht allzu lange dauert. Die 20 Euro waren jedenfalls schnell verdientes Geld und wäre ich früher dagewesen, wäre es das Doppelte. Bei der jetzigen sensiblen Sicherheitslage, unter der bei jedem Koffer gleich Alarm geschlagen wird, ist anzunehmen, dass es solche Einsätze noch öfter gibt.

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4 Kommentare

  1. Die Uhr läuft ganz normal mit, also Kilometer und Waretezeit werden abgerechnet. Das ganze als Rechnungsfahrt. Am Ende werden die gefahreren Kilometer und der Betrag vom PDA abgefragt und der Betrag auch noch in einem Coupon eingetragen. Mein Chef reicht den beim Würfel ein, der ihn mit der BVG abrechnet.
    Eigentlich eine ganz gute Idee, weil nicht so aufwändig (jedenfalls für die Fahrer).

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