Hebbel-Theater

Das Hebbel-Theater in Kreuzberg, 1907/08 erbaut, ist eines der schönsten Theater Deutschlands, das den Krieg nahezu unbeschadet überstanden hat. Bis heute hat sein mahagonigetäfelter Jugendstil-Zuschauerraum nichts von seinem außergewöhnlichen Charme eingebüßt. Künstlerisch erlebte das Hebbel-Theater hingegen eine sehr unbeständige, an häufige Besitz- und Namenswechsel gebundene Geschichte. Bereits der Versuch des Ungarn Eugen Robert, Rechtsanwalt und Gründer des Hebbel-Theaters, einen Architekten für das geplante Unternehmen zu finden, glich einem künstlerischen Abenteuer: „… mir fiel ein, dass ich in einer Ausstellung bei Wertheim ein überaus begabtes Schlafzimmer von einem ungarischen Architekten gesehen hatte. Seine Karriere war an diesem Nachmittag mit einem Satz zu erklären: er hatte ein Schlafzimmer bei Wertheim ausgestellt. Sonst nichts.“

Der Architekt hieß Oskar Kaufmann und sein Bau, der am 29. Januar 1908 mit Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ eröffnet wurde, bedeutete für den jungen Architekten den Durchbruch als Theaterbaumeister. Mit insgesamt sechs von ihm gebauten oder umgebauten Theatern allein in Berlin zählt Oskar Kaufmann zu den bekanntesten Theaterarchitekten seiner Zeit. Neben dem Hebbel-Theater entwarf er die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (1914), das Theater am Kurfürstendamm (1921), die Kroll-Oper (1922/23), die Komödie (1924) und das Renaissance-Theater (1926). Er baute in Wien, Bremerhaven und Königsberg und machte sich darüber hinaus als Planer von Geschäftshäusern und Villen für das reiche Bürgertum einen Namen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte er nach Palästina und wurde in Tel Aviv u.a. mit dem Bau des berühmten hebräischen Theaters Habima (1937) beauftragt.

Nach Eugen Roberts ambitionierten, aber krisengeschüttelten Anfangsjahren übernahmen 1911 Carl Meinhardt und Rudolf Bernauer die Direktion des Kreuzberger Privattheaters. Unter dem Namen „Theater in der Königgrätzer Straße“ präsentierten sie erfolgreich einen Spielplan, der neben klassischer Theaterliteratur vor allem auch die Inszenierungen zeitgenössischer Dramen vorsah. In den folgenden Jahren erlebte das Theater seine erste Glanzzeit, als Tilla Durieux, Paul Wegener, Elisabeth Bergner und Maria Orska in Stücken von Ibsen, Strindberg und Wedekind, aber auch von Shakespeare und Goethe spielten. 1925 übernahm die Leitung Victor Barnowsky, ein Routinier des literarischen Regietheaters. Er verpflichtete Stars wie Hans Albers, Fritz Kortner, Paul Hörbiger, Werner Krauss, Ernst Deutsch und Curt Bois sowie den Regisseur Erwin Piscator und verhalf dem Haus so zu glanzvollen Höhepunkten des Theaterlebens im Berlin der 20er Jahre. 1930 wurde das Haus in „Theater in der Stresemannstraße“ umbenannt, 1934 folgte durch die Nationalsozialisten die politische Revision in „Theater in der Saarlandstraße“. Während des Zweiten Weltkrieges unterstand das Theater dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und wurde Teil des nationalsozialistischen Volksbühnenverbundes.

Sofort nach dem Krieg regte sich wieder das Kultur- und Theaterleben in der Stadt. Das künstlerische Nachholbedürfnis der Berliner war enorm. Das Hebbel-Theater als eines der wenigen unzerstörten Theater lag nun im amerikanisch verwalteten Sektor. Die zuständigen Besatzungsbehörden erkannten die Chance, das mittlerweile wieder in Hebbel-Theater umgetaufte Haus im Zuge der „re-education“ für ihre Umerziehungspläne zu nutzen und machten Karl-Heinz Martin zu seinem Intendanten. Obwohl das Theater inmitten eines riesigen Trümmerfeldes lag und nur durch einen zwanzigminütigen Fußmarsch von der nächsten U-Bahnhaltestelle zu erreichen war, waren die Vorstellungen im ersten Nachkriegswinter ständig ausverkauft, und die Zuschauer brachten als Eintrittsgeld Briketts mit. Unter der Regie des fortschrittlichen Theatermachers Martin gelang der Anschluss an die bislang verbotene westeuropäische und amerikanische Gegenwartsdramatik. Im Bemühen um eine schnelle Wiederbelebung der antifaschistischen Kultur in Deutschland galt Martins Aufmerksamkeit neuen Texten, die sich mit der jüngsten deutschen Vergangenheit auseinandersetzten. Er wählte sein Eröffnungsstück für den 15. August 1945 mit Bedacht: „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill hatten die Nationalsozialisten 1933 verboten. Das Engagement für ein neues, lebendiges Theater, das eine kontrovers geführte Diskussion über Inhalt und Form angemessenen Zeittheaters mit einschloss, setzte Martin bis zu seinem Tod 1948 fort. In seiner Ära war das Hebbel-Theater unversehens zu einem kulturellen Zentrum geworden, das so unterschiedlichen Regisseuren wie Fritz Kortner, Karl-Heinz Stroux, Erich Engel, Jürgen Fehling und Rudolf Noelte Arbeitsmöglichkeiten bot.

Mit der Eröffnung des Schiller-Theaters 1951 verlor das Haus an der Stresemannstraße an Bedeutung. Dennoch konnte das Hebbel-Theater in den 60er Jahren unter der Leitung von Rolf Külüs an seine großen Zuschauererfolge anknüpfen. Es entwickelte sich zu einem Volkstheater im besten Sinne mit Publikumslieblingen wie Harald Juhnke, Klaus Schwarzkopf, Rudolf Platte und Inge Meysel. Nach Külüs Tod übernahm seine Frau Hela Gerber das mittlerweile in finanzielle Schwierigkeiten geratene Theater, das 1972 vom Land Berlin gekauft worden war – 1978 meldete sie schließlich Konkurs an.

Der Denkmalschutz rettete das Hebbel-Theater ein Jahr später vor dem Abriss. In Folge wurde das Haus vornehmlich als Ausweichspielstätte von anderen Berliner Bühnen genutzt – bis Anfang der 80er Jahre der Spielbetrieb endgültig eingestellt werden musste. Dem privaten Verein zur Rettung des Hebbel-Theaters in Berlin-Kreuzberg e.V., in dem sich neben Hans Rosenthal bekannte Schauspieler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens engagierten, ist es zu verdanken, dass das baufällig gewordene Theater nicht in Vergessenheit geriet. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins erfolgten die seit langem notwendigen Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten durch den Berliner Senat. 1988 war Berlin „Kulturstadt Europas“. Im Rahmen der „Werkstatt Berlin“ wurde das Hebbel-Theater mit internationalen Produktionen und Gastspielen wiedereröffnet. Anfang 1989 übernahm Nele Hertling als Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin das Haus und verwandelte es innerhalb weniger Jahre in eine attraktive Spielstätte für zeitgenössisches, internationales, spartenübergreifendes Theater auf hohem Niveau. Heute ist es Teil des HAU (Hebbel am Ufer), dem „Theaterkombinat der anderen Art“.

Hebbel am Ufer

Foto: Dosseman, CC BY-SA 4.0

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