No-Go-Area

Instituti­o­nen haben ihre eigenen Gesetze und Riten. Manchem Mikrokosmos sieht man es von außen nicht an, aber sie sind wie Diktaturen: Als ich in den 80er Jahren oft in Ost-Berlin war, bin ich irgendwann in die Touristenfalle getappt. Aus irgendeinem Grund durfte man nämlich an vielen großen Kreuzungen mit dem Auto nicht links abbiegen. Es hatte keinen offensichtlichen Grund, die Straßen waren breit, die volkseigenen Autos schmal und eher selten, am Platz lag es also nicht. Trotzdem war es nicht erlaubt. Wer nach links wollte, musste erst nach rechts fahren, dann in der Straße wenden, um schließlich nach links zu kommen. Was wie eine politische Metapher klingt, war wenigstens zum Teil auch ein Mittel, um an Devisen zu kommen, denn natürlich stand zufällig ein Auto der Volkspolizei so bereit, dass man es vorher nicht sehen und nach dem illegalen Linksabbiegen nicht übersehen konnte.

So etwa ist es heute in Krankenhäusern. Vor einigen Jahren lag ich im Jüdischen im Wedding. Einige Male musste ich zu verschiedenen Stationen oder Untersuchungsräumen, wie das bei solchen Aufenthalten eben ist. Doch obwohl ich gut zu Fuß war, durfte ich die Wege niemals laufen. Immer musste ich in den Rollstuhl und wurde geschoben. Vor der Abteilung zur Computertomografie warteten schon mehrere Leute, aber weil ich Krankenhauspatient war, wurde ich bevorzugt behandelt. Als ich vor der Tür zur Praxis aus dem Rollstuhl stieg und in der Tür verschwand, schaute ich noch zurück in ein paar empörte Gesichter und fühlte mich als Simulant ertappt.

Neulich im Virchow durfte ich ebenfalls nicht zum Durchleuchten laufen. Es dauerte 10 Minuten, bis ein Helfer kam und mich im Bett die etwa 200 Meter zum Röntgenraum schob. Unterwegs erzählte er mir, dass er pro Schicht etwa 30 Kilometer durch die Gänge läuft. Auf den Rücktransport musste ich dann fast eine halbe Stunde warten.
Auch dieser Kollege konnte sich und mir den Sinn dieser Übung nicht erklären. Ich wäre nämlich durchaus in der Lage gewesen, die ein, zwei Minuten alleine zu gehen. Und Sicherheitsgründe können aus auch nicht sein, weil das Rollstuhlfahren und erst recht das Bettengeschiebe viel risikoreicher ist, als zu Fuß zu gehen.
Wenigstens danach in der Schlosspark-Klinik ließ man mir die freie Wahl: Laufen oder auf einen „Fahrer“ warten. Ich entschied mich für’s Erstere.

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