Heimatmuseum Reinickendorf

Im Gebäude der 1889 im Berliner Backsteinstil errichteten und von 1897-1898 erweiterten Dorfschule von Hermsdorf befindet sich heute das Heimatmuseum Reinickendorf. Zu Beginn des 20. Jahrhundert stiegen durch die Besiedlung des Berliner Vorortes und den damit verbundenem Zuzug von Menschen die Schülerzahlen sehr schnell, dass bereits im Jahre 1905 ein neues Schulgebäude auf dem Hof errichtet wurde, das bis heute als Grundschule dient. Mitte der 20er Jahre lag die Schülerzahl bei 700, im Jahre 1966 besuchten 252 Schüler die Schule, die in den Jahren 1972/73 durch einen modernen, wenig repräsentativen Stahlbetonskelettbau ersetzt wurde. In den darauf folgenden Jahren diente das alte Schulhaus nur noch als Filialschule.

Das neugegründete Heimatmuseum Reinickendorf zog 1980 in die Dorfschule ein und übernahm die Sammlung der seit dem Jahre 1959 im Gutshaus Wittenau existierenden heimatkundlichen Schau, die wiederum ihren Vorläufer in der ersten heimatkundlichen Ausstellung im Reinickendorfer Realgymnasium in der Berner Straße im Jahre 1930 hatte. Die nahezu 70-jährige Sammlungsperiode sowie zahlreiche Schenkungen und Neuerwerbungen haben den Fundus des Heimatmuseums so vergrößert, dass es heute als das zentrale Archiv zur Geschichte Reinickendorfs bezeichnet werden kann.
Das für die Öffentlichkeit nutzbare Regionalarchiv umfasst mehrere tausend Fotos und Dias, über tausend Negative, Bildplatten und Postkarten, einige Urkunden, Landkarten und mehrere tausend Zeitungsartikel zur Geschichte des Bezirkes. Es wird durch eine öffentlich nutzbare Präsenzbibliothek mit einem Bestand von mehreren tausend Büchern und Zeitschriften ergänzt. Neben der Literatur zur Geschichte Reinickendorfs und des Berliner Raums befinden sich auch zahlreiche unveröffentlichte Manuskripte, Denkschriften, Festschriften usw. in der Bibliothek. Das Ausleihen von Fotos ist möglich.

Auf dem Hof des Museums befindet sich seit 1980 das sog. „Germanische Gehöft“ bestehend aus einem mit Reet gedecktem Wohn-Stallhaus des 1. und 2. Jahrhundert, einem Speicher und einem Spinn- und Webhaus. Anhand der Aussagen des römischen Historikers Tacitus aus dem 1. Jahrhundert ist bekannt, dass die Germanen weder in Städten, noch in geschlossen, regelmässig angelegten dörflichen Siedlungen, sondern in Einzelhofsiedlungen gelebt haben. Spuren germanischer Weiler hat man in Rudow, Spandau und in Lübars am Hang des Mühlenberges gefunden. Das im Heimatmuseum rekonstruierte dreischiffige Wohn-Stallhaus stellt die in Norddeutschland am meisten verbreitete Hausform dar. Für den Bau wurden weder Steine noch Ziegel, sondern ausschließlich Holz und lehmverstrichenes Flechtwerk verwendet. Das Haus besteht zu zwei Dritteln aus einem Stallteil mit mehreren aus Flechtwerk abgetrennten Boxen für das Vieh, einem Mitteltrakt und dem Wohnteil mit der Feuerstelle und Kochgelegenheit, einer Schlafstelle mit Stroh und einem bescheidenen Mobiliar bestehend aus einfachen Haushaltsgeräten aus Holz und gebranntem Ton.
Das in gleicher Bauweise errichtete Speicherhäuschen steht auf Stelzen, an denen man Holznägel befestigt hat, um das Herauf klettern von Ratten und Mäusen zu verhindern. Das Gehöft wird durch einen kleineren Bau, dem Spinn- und Webhäuschen mit einem Hochwebstuhl und einem alten Kastenbrunnen ergänzt. Das 1980 errichtete germanische Gehöft soll den Besuchern die Lebensweise der Germanen vor 2000 Jahren näher bringen.

In der ständigen Ausstellung des Heimatmuseums gibt es mehrere Bereiche, die unterschiedliche Epochen repräsentieren.
Im Raum für Vor- und Frühgeschichte werden z.B. Funde ausgestellt, die von archäologische Ausgrabungen am Tegeler Fließ stammen. Dort stieß man 1961 auf Spuren menschlichen Lebens von vor circa 10.000 Jahren. Diese Nachweise früher Jäger- und Sammlerkulturen am Ende der letzten Eiszeitperiode waren in der Paläolithforschung eine Sensation und sind in internationalen Archäologenkreisen bis heute ein fester Begriff.
Die sechs Dörfer Heiligensee, Tegel, Dalldorf (heute Wittenau), Reinickendorf, Hermsdorf und Lübars, deren Geschichte im 12. Jahrhundert begann, haben einen eigenen Raum. Ein Reliefmodell zeigt die Lage der Dörfer um das Fließ. Das sogenannte „Quitzowmodell“ stellt eine historisch belegte Episode nach: 1410 überfielen die Quitzows, damals gefürchtete Raubritter, die vor den Stadttoren weidenden Herden der Berliner Bürger. Die Berliner verfolgten die Quitzows bis zur Tegeler Mühle. An der über das Fließ führenden Brücke wurden sie jedoch in einen Hinterhalt gelockt. Die Berliner verloren den Kampf.

Mit original Exponaten nachgestellt sind u.a. ein Schulzimmer aus dem 19. Jahrhundert, eine Waschküche sowie ein komplettes Biedermeier-Wohnzimmer. Daneben gibt es Sonderausstellungen wie die bis zum 12. Februar laufende zur Geschichte Reinickendorfs von 1930 bis 1965.
Die ehemalige Dorfschule ist zu einem typischen Heimatmuseum geworden, in dem man tief in die Geschichte der Region eintauchen kann. Neben den beiden grundlegenden Bildern, die viele von Reinickendorf haben – bieder und grün – kommt ein weiteres dazu: Eindrücke aus der Vor- und Frühgeschichte, die zeigen, wie das Leben hier vor Jahrhunderten ausgesehen hat.

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