Sind die etwa besser?

Seit Jahren kann man nicht mehr durch die Stadt gehen, ohne ständig auf diese riesigen Werbeplakate zu stoßen, die über mehrere Etagen ganze Häuserfronten verdecken. Meist werden sie außen an Baugerüsten angebracht, wenn ein Haus renoviert wird. Da glotzen einen auf 20 mal 20 Metern riesige Babys an, unnatürlich geglättete Frauengesichter oder Autofronten.
Mal sieht man die neuste Version explodierender Handys, mal das neue Shampoo in der neuen XXXXXXXXXXXXL-großen Plattenhaussiedlungs-Packung.

Der überall aufgehängten Reklame kann man eh schon kaum entkommen, Plakate, halb so groß wie Doppeldeckerbusse, verschandeln ja schon seit Jahrzehnten unsere Stadt. Auffallen um jeden Preis, das ist das Motto, am Kudamm-Eck wird man nachts von der elektronischen Werbetafel geblendet, und mittlerweile von Dutzenden sogenannter Riesenposter. Wenn ich mich recht erinnere, hatte damit einst ausgerechnet der Klerus angefangen. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wickelte ihren Neubauturm ein, in Form eines Lippenstiftes oder sowas. Mit den Werbeeinnahmen wurde die Renovierung der Kirche bezahlt.

Ich finde diese Riesenteile zum Kotzen. Die „normalen“ Werbeplakate kann man ja noch etwas ausblenden, aber die großen nicht, die knallen sich in brutaler Aufdringlichkeit in unser Bewusstsein. Gleichzeitig laufen immer wieder Kampagnen gegen Graffitisprüher, die kriminalisiert werden, obwohl sie nichts anderes machen, als die Reklamerambos: Sie zwingen uns visuell ihren Scheißhaufen auf. Sicher, dafür bekommen die Hausbesitzer kein Geld und deshalb ist diese Form der Werbung illegal. Aber Graffitis sind wie Riesenposter eine Form der optischen Körperverletzung, sie verschandeln unseren Lebensraum. Ich jedenfalls habe mir fest vorgenommen, gerade die so beworbenen Produkte auf keinen Fall zu kaufen. Als stummen Protest.

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2 Kommentare

  1. „Graffitisprüher, die kriminalisiert werden, obwohl sie nichts anderes machen, als die Reklamerambos: Sie zwingen uns visuell ihren Scheißhaufen auf. “ – Wunderbar gesagt!

    Man muss mal durchfragen, was das alles bringt, dann sieht man die Absurdität des Reklamedenkens.

    In meiner denkmalgeschützten, aber verarmten Innenstadt tauchten vor Jahren plötzlich zu Hunderten solche sogenannten Mupis auf. Viele schöne Aus- und Durchblicke waren verbaut, historische Häuser verdeckt, und sie sind es bis heute. Als das alles neu war, hatte ich den zuständigen Dezernenten aufgesucht und ihm eine Mappe mit Fotos überreicht. Er erklärte ganz stolz, dass das soundsoviel Geld pro Jahr sowie eine (in Worten: eine) selbstreinigende Toilette in der Innenstadt. Auch erklärte er, dass die Dinger zwei Seiten haben. Auf der, die am meisten im Blickfeld steht, kostet ein Reklameplakat pro Woche richtig viel, auf der Rückseite aber nur ein Drittel. Auch versprach er mir, was er dem Stadtrat auch schon versprochen hatte: Zum Ausgleich sollte das Ordnungsamt gegen alle „wilde“ Reklame vorgehen und das Straßenbild ruhiger werden.

    Ich habe dann mal den Betrag pro Jahr geteilt durch die Anzahl Einwohner und dabei die Touristen, die man so gerne in die historische Stadt locken will, nicht einmal mitgezählt. Für einen halben Euro pro Jahr (!) muss ich meine geliebte Stadt verschandeln lassen, nicht an einer Stelle, sondern überall! Und dann stellte sich bald heraus, dass die Stadt auf den „billigen“, aber immer noch teuren Rückseiten massenhaft Reklame für ihr Sozialamt oder was auch immer macht. Das kostet viel mehr, als es einbringt. Und natürlich hat sich an der „wilden“ Raklame nichts geändert.

    Menschen, die ich darauf anspreche, sagen aber durchweg: „Warum regst du dich darüber auf. Ich sehe die Dinger gar nicht.“ – Womit bewiesen wäre, dass die städtischen Informationsplakate auf der Rückseite rausgeschmissenes Geld sind.

    Es ist wirklich zum Kotzen.

    Die BVG macht bei diesem Wahnsinn auch mit. Einerseits rät sie, dass man mit dem Linienbus 100 fahren soll, statt eine teure kommerzielle Stadtrundfahrt zu buchen. Zugegeben: der Bus fährt oberirdisch und hat viele Fenster. Nur hat die BVG andererseits die meisten mit Reklame zugeklebt. Von innen sieht man fast nichts mehr, als blickte man durch eine geschlossene Gardine. Bilder finden sich hier: http://de.rationalitas.eu/die-ver-u-bahnisierung-berlins-2/

  2. „Seit Jahren kann man nicht mehr durch die Stadt gehen, ohne ständig auf diese riesigen Werbeplakate zu stoßen“ – Da haben wir schon das Problem! Herr Kuhrt guckt beim Gehen offenbar nicht ununterbrochen auf sein Smartphone. Vielleicht hat er gar keines.

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