Stolz, ein Deutscher zu sein

Es ist schon beeindruckend, was in Deutschland gerade passiert. In Dresden stellen sich die Biedermänner hinter die Brandstifter und hetzen gemeinsam gegen geflüchtete Menschen. Ein Teil von ihnen  zieht auch los, prügelt auf Schwarzhaarige ein und legt Feuer, ganz so, als lebten wir noch im Jahr 1940.

Im Rest der Republik haben die Deutschen offenbar ihr Herz für Menschen entdeckt, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Ich gebe zu, dass ich von der breiten Hilfsbereitschaft überrascht war und sehr froh bin, dass sich die Dummköpfe in der Öffentlichkeit nicht durchsetzen können.
Dabei geht es nicht um Kritik an Verfahrensabläufen. Man kann sicher dagegen sein, dass auch Menschen kommen, deren Leben in ihrer Heimat nicht unmittelbar bedroht ist. Fakt ist aber, dass auch eine Million Flüchtlinge keine Katastrophe für Deutschland sind. Länder wie die Türkei, der Libanon oder Jordanien haben jeweils zwei bis drei Millionen aufgenommen und existieren immer noch. Dagegen sind eine Million für ein reiches Land wie Deutschland eher wenig.

Natürlich gibt es Probleme. Aber die gibt es im Leben immer. Und ich wundere mich erneut, nämlich über das plötzlich so klare Bekenntnis der Bundeskanzlerin, verfolgten Menschen in Deutschland Schutz zu gewähren, auch wenn es sehr viele sind. Und wie sie gehen Zehntausende im ganzen Land davon aus, dass es klappt und sie engagieren sich ehrenamtlich vor Ort.

Ich selber habe in den vergangenen Monaten unzählige Male gesehen, wie hier in Berlin von einfachen Bürgern Hilfe geleistet wird. Mein Mitbewohner, der seit zwei Monaten täglich 12 bis 16 Stunden bei „Moabit hilft!“ arbeitet, ist dabei ein Vorbild für mich. Wie ihn gibt es etliche, in Berlin, in den Städten und Dörfern im ganzen Land, die sich nicht abschrecken lassen von den Schwierigkeiten, von der Masse an Menschen und von den schreckliche Geschichten, mit denen sie täglich konfrontiert sind. Wenn man jeden Tag mit traumatisierten Kriegsopfern zu tun hat ist es wichtig, nicht selber den Mut zu verlieren. Doch dann sieht man wieder die lachenden Kinder, die dankbar schauenden Mütter, die einem deutlich machen, dass es jetzt ganz genau das Richtige ist, was man da tut. Das gibt einem selber wieder Stärke, um weiterzumachen.

Widerlich sind dagegen die teilweisen rechtsradikalen Sprüche mancher Politiker. Allen voran der Bazi Horst Seehofer, der angekündigt hat, „bis zur letzten Patrone“ gegen die angebliche „massenhafte Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ vorzugehen. Nun könnte man sagen, dass bei bayrische Ministerpräsidenten braunes Gedankengut nicht ungewöhnlich ist. Es sei an Franz-Josef Strauß erinnert, der die Nazi-Terrorgruppe Wehrsportgruppe Hoffmann als harmlosen Freizeittrupp bezeichnete, trotz der mindestens 15 Todesopfer, die sie zu verantworten hat. Oder Edmund Stoiber, der vor einer „durchrassten Gesellschaft“ warnte.
Wenn Seehofer jetzt von „Notwehr“ gegen die Flüchtlinge spricht, als wenn sie eine angreifende Armee wären, ist das nicht mehr nur dummer Populismus, sondern rassistische Hetze!

Eine ganze Reihe Politiker, vor allem aus der CDU, aber auch Bundespräsident Gauck und SPD-Chef Gabriel lamentieren mittlerweile davon, dass Deutschland bald keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könne, zu viel, zu viel.
Wie lächerlich. Es sei daran erinnert, dass unser Land Ende der 1940er Jahre schon mal 12 Millionen Vertriebene aufgenommen und integriert hat. Und dies unter wirtschaftlich katastrophalen Bedingungen.

Dass Angela Merkel nun so eindeutig und konsequent die Linie vertritt, auch weiterhin Hilfesuchende aufzunehmen, rechne ich ihr hoch an. Zum ersten Mal überhaupt habe ich Respekt vor ihr. Gerade die, sie sonst immer abwartend am Rande stand und schließlich ihr Fähnchen in den Parteiwind hängte, bezieht nun eindeutig Stellung und verteidigt diese auch innerhalb der Partei. Ich hoffe, dies hält länger an, als nur ein paar Tage.

Es sei daran erinnert, worum es geht: Die Menschen, die zu uns flüchten, sind keine Invasoren. Sie kommen größtenteils aus Ländern, in denen Krieg herrscht. Die meisten, mit denen ich gesprochen habe, haben alles verloren. Ihre Wohnung, all ihren Besitz, und fast immer auch Angehörige, die eigenen Kinder, Eltern, Geschwister. Wer von uns kann sich vorstellen, in einer zerbombten Stadt zu leben, ohne Wasser und Lebensmittel, bedroht von Soldaten des Regimes oder religiösen Fanatikern, die einen abschlachten wollen? Wer von uns würde da nicht fliehen? Selbst in ein Land, in dem es kalt ist, das eine fremde Kultur hat, in dem die Menschen eine andere Sprache sprechen und eine fremde Schrift benutzen. Es geht hier ums Überleben, nicht um Urlaub. Dies sollten sich diejenigen klar machen, die hier gegen die Flüchtlinge hetzen.

Deutschland hat jetzt nicht nur eine riesige Chance, sich mit vielen neuen Bewohnern weiterzuentwickeln – auch wenn die meisten Flüchtlinge nach einem Kriegsende in Syrien oder Afghanistan wieder in ihre Heimat zurück wollen. Deutschland zeigt gerade auch, dass unendlich viele Menschen die Fremdenfeindlichkeit, den Rassismus ablehnen. Da sollen sie in Dresden krakeelen und da sollen manche Politiker von SPD bis CSU ihre rechtspopulistischen Sprüche machen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas sage, aber: Solange ich diese breite Unterstützung aus der Bevölkerung sehe, bin ich stolz, ein Deutscher zu sein!

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